Homecare-Gipfel am 03.12.2013 in Berlin

Berlin. Homecare-Dienstleistungen sind für die Versorgung von Patienten mit Hilfsmitteln, Verbandmitteln und Ernährungstherapien beim Übergang vom Krankenhaus in die ambulante Versorgung unverzichtbar.

Homecare-Konferenz von MedInform: "Homecare-Dienstleistungen sind an der Schnittstelle vom Krankenhaus in die ambulante Versorgung unverzichtbar"


Berlin. Homecare-Dienstleistungen sind für die Versorgung von Patienten mit Hilfsmitteln, Verbandmitteln und Ernährungstherapien beim Übergang vom Krankenhaus in die ambulante Versorgung unverzichtbar. Das verdeutlichten der Krankenhausarzt Prof. Dr. Bernd Reith vom Klinikum Konstanz und der niedergelassene Arzt Olav Heringer auf der MedInform-Konferenz "Homecare – eine ambulante Perspektive?" am 3. Dezember 2013 in Berlin. MedInform ist der Informations- und Seminarservice des BVMed. Nach Meinung der Experten sei es wichtig, die Qualität der Produkte und Dienstleistungen festzuschreiben und die Einhaltung der Qualitätsstandards zu kontrollieren.

Homecare-Dienstleistungen seien etabliert und wichtig, aber es gebe nach wie vor erhebliche rechtliche Probleme an der Schnittstelle stationär-ambulant, so Dennis Giesfeldt von Coloplast, Konferenzmoderator Prof. Dr. Jörg Saatkamp vom Institut für Gesundheit der Hochschule Rosenheim und TK-Experte Lars Schindler. Das Thema Schnittstellenmanagement sei bislang von der Politik vernachlässigt worden. Der neue Koalitionsvertrag biete aber gute Ansatzpunkte. So sollen die "Leistungslücken beim Übergang vom stationären in den ambulanten Versorgungsbereich" dadurch überwunden werden, indem das Entlassungsmanagement, das den Krankenhäusern obliegt, "durch eine gesetzliche Koordinationsfunktion der Krankenkassen ergänzt wird". Die Möglichkeiten der Krankenhäuser, bei einer Entlassung Leistungen zu verordnen, sollen dabei ausgeweitet werden. Außerdem soll ein neues Qualitätsinstitut die Versorgungsforschung voranbringen und die Routinedaten der Krankenkassen einbeziehen.

Einen sinnvollen Zukunftsweg in der Hilfsmittelversorgung skizzierten Klaus Grunau von Hollister und Hans-Heiko Müller von pfm. Sie plädierten für sektorenübergreifende und bundeseinheitliche Behandlungspfade auf Basis der Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften. Dabei sollten neben ökonomischen Gesichtspunkten auch Lebensqualität-Aspekte, beispielsweise durch Patientenbefragungen, einbezogen werden.

Rechtsanwältin Bettina Hertkorn-Ketterer führte in die rechtlichen Grundlagen der ambulanten Versorgung und des Schnittstellenmanagements ein. Es sei zunächst die Verantwortung der Krankenkassen, "ein ausreichendes Angebot an Leistungserbringer" und entsprechende Versorgungsstrukturen sicherzustellen. Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren zahlreiche Anstrengungen unternommen, um die Versorgung besser zu koordinieren. Dazu gehören Praxisnetze, die Integrierte Versorgung, Medizinische Versorgungszentren, der Hausarzt als Lotse, das Entlassmanagement oder Pflegestützpunkte. Das Problem liege allerdings in den rechtlichen Hemmnissen bei der "Verbindung" der verschiedenen Leistungsbereiche, so die Rechtsexpertin. Die Aufgaben der Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich sind nach dem Sozialgesetzbuch beispielsweise beschränkt auf die reine "Produktlieferung". Eine Anpassung der Aufgabenbeschreibung ist nicht erfolgt. Das Entlassmanagement wurde in § 39 Abs. 1 SGB V den Krankenhäusern übertragen. Der „Koordinierung im Zeitpunkt der Entlassung“ müsse aber auch eine „Koordinierung im ambulanten / Homecare-Bereich gegenübergestellt werden“. Hertkorn-Ketterers Forderung: "Wir brauchen hier die Definition und die Akzeptanz von koordinierenden Versorgungsformen wie Homecare-Versorgungen."

Homecare ist für den überleitenden Krankenhausarzt ein wichtiger und wertvoller Versorgungspartner, verdeutlichte Prof. Dr. Bernd Reith, Chefarzt der Klinik für Viszeral-, Kinder- und Gefäßchirurgie des Klinikums Konstanz. "Ohne Netzwerke und vernetzte Versorgungsstrukturen kann der Kostendruck auf die Krankenhäuser nicht abgefangen werden", so Reith. Aufgrund der demografischen Entwicklung, der zunehmenden Pflegebedürftigkeit, der Zunahme von multimorbiden Patienten und dem zunehmenden Fachkräftemangel seien Homecare-Strukturen "in Zukunft unverzichtbar und sollten flächendeckend angeboten werden". Neben der Beratung und der Schulung von Patienten oder dem Umgang mit Medizinprodukten sei der wichtigste Punkt die Koordination und die frühzeitige Vorbereitung der Entlassung des Patienten aus der Klinik. Die Patienten sollten im häuslichen Bereich adäquat zur klinischen Versorgung behandelt werden. Dazu gehöre eine ausgeprägte Vernetzung, "damit Patienten mit allen medizinischen und logistischen Produkten individuell versorgt sind". Reith bezeichnete es aus Patientensicht als extrem wichtig, dass der Homecare-Ansprechpartner dabei der gleiche, dem Patienten vertraute Partner bleibt. Am weitesten fortgeschritten sieht Reith die Versorgungspraxis im Stomabereich. Nachholbedarf sieht er bei der Heimbeatmung sowie der enteralen und parenteralen Ernährung.

Die Bedeutung von Homecare-Dienstleistungen für den ambulanten und niedergelassenen Arzt beleuchtete Olav Heringer, Arzt für Hämatologie und Internistische Onkologie an einem Facharztzentrum in Wiesbaden. Der Beratungsbedarf in der onkologischen Betreuung von Patienten ist enorm. Viele Patienten müssen beispielsweise parenteral ernährt werden. "Wir kommen nicht darum herum, Homecare-Dienstleistungen stärker einzubinden. Wir müssen in Zukunft die onkologischen Patienten besser und länger zu Hause versorgen", so Heringer. Dabei geht es neben Ernährungstherapien auch um Wundmanagement oder Schmerzpumpen-Betreuung. Das Homecare-Unternehmen bietet "feste" Ansprechpartner, übernimmt die Logistik mit dem Pflegedienst oder Bestellungen, den Therapieplan sowie Rezeptanforderungen. Warum werden Homecare-Dienstleistungen nicht stärker genutzt? Niedergelassene Ärzte seien oft der Meinung, dass dies das Krankenhaus einleiten müsse. Auch herrsche oft Unwissenheit über die Anbieter und ihre Dienstleistungen sowie die Angst vor Regressen. Heringers Fazit: "Wir müssen uns stärker mit dem Homecare-Thema beschäftigen. Wir müssen neue Strukturen in der Verknüpfung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung schaffen und die Schnittstellenproblematik rechtlich wie technisch lösen."

Dennis Giesfeldt von SIEWA, dem Homecare-Unternehmen von Coloplast, beschrieb das Qualitäts- und Rollenverständnis von Homecare zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Homecare-Unternehmen beraten, versorgen und begleiten Patienten nach der Krankenhausentlassung, zu Hause oder in Heimen mit erklärungsbedürftigen Medizinprodukten wie medizinischen Hilfsmitteln, Verbandmitteln oder Produkten zur medizinischen Ernährung. Ein Problem sei, dass Dienstleistungen und Produkte in der Regel gemeinsam vergütet werden. Eine hohe Qualität von Produkten und Dienstleistungen werde in der Vergütung jedoch nicht differenziert berücksichtigt. Primärer Zweck sei in der Regel die Kostenoptimierung, nicht die bedarfsgerechte Versorgung der Patienten. Homecare müsse als qualifizierter Teilnehmer des Versorgungsprozesses etabliert werden. Hier biete der neue Koalitionsvertrag gute Ansatzmöglichkeiten, so Giesfeldt. Gerade im Rahmen des demografischen Wandels müssten Homecare gestärkt und neue Aufgaben im Rahmen von Delegation und Substitution gestaltet werden.

Das Thema Homecare wird im Gesundheitsmarkt immer bedeutsamer, stellte Lars Schindler, Hilfsmittelexperte der Techniker Krankenkasse (TK), fest. Homecare biete Chancen für die Zukunft, um eine bessere Vernetzung sicherzustellen. Homecare-Unternehmen koordinieren die Überleitung und beraten die Patienten. Für die Krankenkasse sei es wichtig, die Versorgungsqualität im Rahmen der ambulanten Hilfsmittelversorgung sicherzustellen. Bei den Leistungserbringern wie den Homecare-Unternehmen sind der TK dabei drei Ebenen wichtig:

1. Welche Struktur hält der Leistungserbringer vor? Dazu gehören Fortbildungen, Beratungszeiten oder die Einhaltung des Kodex Medizinprodukte.
2. Wie gut sind die Abläufe? Dazu gehören Lieferfristen, eine lückenlose Betreuung, Aufzahlungsregelungen oder die Erreichbarkeit von Notdiensten.
3. Wie gut ist das Ergebnis? Dazu gehören die telefonische Nachkontrolle, Erhebungsbögen, Erprobungsphasen oder die Erfassung von Beschwerden.

Wie können Anreize für bessere Qualität gegeben werden? Eine Idee sei, mit Leistungserbringern einen speziellen Vertrag abzuschließen, wenn der Kasse ein messbarer Mehrwert bei der Versorgung geboten wird. Schindler: "Die Anreize für einen Leistungserbringer zu mehr Qualität können sich monetär oder in Vereinfachungen bei der Zusammenarbeit wiederspiegeln." Klar sei aber auch, dass eine hohe Qualität auch bezahlbar bleiben müsse. Schindlers Fazit: "Die TK prüft jeden Vorschlag auf Durchführbarkeit und Wirtschaftlichkeit und 'traut' sich auch, neue Wege zu gehen, wenn das Risiko fair verteilt ist und die Idee in das Gesamtkonzept passt."

Das Zukunftsmodell einer "Hilfsmittelversorgung innerhalb eines sich selbst regulierenden, sektorenübergreifenden Behandlungspfades" stellte Klaus Grunau vor. Er ist Mitglied der Geschäftsführung bei Hollister Deutschland sowie Vorstandsmitglied des BVMed. Zu den Herausforderungen gehören die demografische Entwicklung, die beschränkten Mittel der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die starren Sektorenübergänge und der medizinisch-technische Fortschritt. Ziel eines neuen Konzepts müsse es sein, die medizinisch notwendige Hilfsmittelversorgung vor diesem Hintergrund sicherzustellen. Die medizinische Verantwortung bleibe beim Arzt. "Aber bestimmte Tätigkeiten werden künftig übertragen an nichtärztliches medizinisches Fachpersonal", so Grunau. Die Hilfsmittel-Versorgung bleibe integraler Bestandteil einer Behandlung und damit Leistung der GKV, finde aber innerhalb eines Behandlungspfades statt. "Alle beteiligten Leistungserbringer erarbeiten einen verbindlichen Behandlungspfad mit klaren Schnittstellen. Verantwortlich für die Einhaltung des Pfades ist dann das jeweilige Versorgungssegment." Die Abfolge der einzelnen Schritte baue aufeinander auf. Der Leistungserbringer prüfe die Durchführung des direkt vorangegangenen Schrittes und übernehme dann seine Aufgabe. Der Fluss der Daten und Informationen erfolge bei dem Zukunftsmodell über eine zentrale Datenerfassung. Die Vergütung pro Abschnitt erfolge analog zu den Vorgaben des Pfades durch ausgehandelte Gebührenordnungen. Voraussetzung für das Funktionieren eines solchen Systems sei es, dass es bundesweit gültig ist und die Pfade für den Arzt verbindlich sind. Der Patient behalte bei dem Modell die Wahlfreiheit des Leistungserbringers im jeweiligen Teilabschnitt. Grunaus Fazit: "Die Zukunft gehört einer stärkeren Vernetzung der einzelnen Leistungserbringer und einer Etablierung von standardisierten, sektorenübergreifenden Behandlungsprozessen."

Auf die Erstellung von Behandlungspfaden auf Basis der Leitlinien von Fachgesellschaften ging Hans-Heiko Müller, Geschäftsführer des pfm medical Instituts in Köln, detaillierter ein. Behandlungspfade definieren einen schmalen diagnostischen und therapeutischen Handlungskorridor. Sie definieren ebenso eine Gesamtbehandlung und ein klares Behandlungsziel. Sie ähneln damit einem "Qualitätsmanagement-System". Behandlungspfade sind heute aber meist lokal bzw. krankenhausindividuell. Müller: "Behandlungspfade 2.0 müssen sektorenübergreifend und bundeseinheitlich sein. Sie müssen ökonomische Aspekte einbinden und damit in Richtung der S3-Leitlinien der Medizinischen Fachgesellschaften gehen." Zur Qualitätssteigerung könnten zudem Patientenbefragungen zu Aspekten der Lebensqualität beitragen.

Hinweis an die Medien: Druckfähige Bilder zur Konferenz können unter www.bvmed.de (Bilder / Veranstaltungen) heruntergeladen werden.

Medienkontakt:
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Leiter Kommunikation/Pressesprecher
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